11. Dezember 1919 – Von Problemen junger Geisteswissenschaftler

Ein weiterer Messefund aus Ulm. Der Text war nicht allzu leicht zu entziffern, daher wusste ich erst zu Hause, welche Koryphäen der Geisteswissenschaft sich hier austauschen: Walter Wilhelm Goetz, 1919 im vierten Jahr Professor für Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig, beantwortet ein Schreiben seines Münchner Kollegen, dem Geheimen Rat Prof. Dr. Fritz Hommel, seines Zeichen in Leipzig studierter Orientalist und nun in München ansässiger Professor für semitische Sprachen.

Offensichtlich hatte Hommel Goetz darum gebeten einen älteren, fachfremden Kollegen an seinem Institut in Leipzig aufzunehmen. Goetz’ Antwort fiel zwar freundlich jedoch negativ aus. Im Falle eines Druckkostenzuschusses für Hommels Sohn Hildebrecht, konnte Goetz an einen anderen Kollegen weiter verweisen, den Theologen Hans Haas.

Wir halten fest: der Historiker Goetz durfte einem fachfremden Philologen keine Unterstützung zukommen lassen, dafür waren die Religionswissenschaften zuständig. Es wäre interessant zu wissen, was Hommel Junior 1919 drucken lassen wollte.

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Fritz Hommel und Walter Wilhelm Goetz

Es verhielt sich also bereits damals in den goldenen Zeiten der Geisteswissenschaften vieles so, wie es heute noch ist: Alles läuft über Netzwerke, es gibt kaum Gelder, aber ohne die neuesten Forschungsergebnisse stagniert die eigene Karriere. So lautet denn auch die Conclusio von Goetz am Ende der Postkarte: „Es ist ja schlimm für junge Gelehrte, wenn sie jetzt nichts gedruckt bekommen, aber die Anforderungen sind überall größer als die vorhandenen Mittel.“
Nun gut, es gilt zu bedenken, dass 1919 gerade erst der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen war.

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