17. Juli 1939 – Österreichs erste Jura-Professorin

Diese Karte, erstanden auf der Messe in Ulm, trägt das wunderschöne Siegel der Ludwig-Maximilians-Universität von München und stammt vom Institut für Papyrusforschung und antike Rechtsgeschichte. Hier bedankt sich eine Sybille von C. J. beim Adressaten Prof. Dr. Leopold Wenger in Wien für die Zusendung von Seperata, also Exemplaren von (wissenschaftlichen) Sonderdrucken. Die Karte belegt auch, dass im Volksmund noch der Name Haubenbiglgasse geläufig war, obwohl der Name offiziell seit 1903 in -straße geändert worden war. Wer war aber die Verfasserin der Zeilen?

Das Kürzel ihres Nachnamens ist nicht leicht zu identifizieren, meine Vermutung ist eine Ligatur von C und J. Recherchen nach dem Institut der Papyrusforschung in München in Verbindung mit dem Namen Sybille führen schnell zu der Erkenntnis, dass es sich bei der Absenderin um Sibylle von Bolla-Kotek de Czáford-Jobbaháza handeln wird. Diese war eine Rechtswissenschaftlerin an der Prager Universität, die dort 1935 promoviert wurde. 1938 erhielt sie die Lehrbefugnis für Römisches Recht und beschäftigte sich mit Papyrologie. Im Folgejahr war sie offensichtlich für ein Forschungsaufenthalt an der Münchner LMU.

Wir erfahren aus ihrem Schreiben, dass sie im Anschluss gerne nach Wien gegangen wäre, dazu fehlte ihr aber das Geld. Sie hoffte jedoch, zumindest im Herbst 1939 in München zu sein, um ihrem Unterstützer Wenger zu gratulieren. Wozu ist nicht bekannt, vermutlich wurde der gerade emeritierte Wenger hier für sein Lebenswerk o. ä. gewürdigt. Sybille von Bolla ging zurück in die Tschechoslowakei, wo sie sie 1944 außerordentliche Professorin wurde. 1945 zog sie zu ihrer Schwester nach Österreich, wo sie 1946 die Lehrbefugnis an der Wiener juridischen Fakultät erhielt und 1949 auch dort außerordentliche Professorin wurde. Damit war sie die erste Jura-Professorin in Österreich.

Sibylle Bolla-Kotek (1913–1969), Bürgerliches Recht, Römisches Recht BestandgeberIn: Archiv der Universität Wien, Bildarchiv Signatur: 106.I.1057
Prof. Dr. Leopold Wenger, Univ.-Professor für Rechtsgeschichte, Romanist, Papyrusforscher

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