16. Oktober 1904 – Warum der baden-württembergische Adel in München heiratete

Das Motiv eines Mädchens, das mit Hilfe eines Blasebalgs ein Feuer in einem Kamin anzufachen versucht, hielt ich für relativ unspektakulär. Auch der mutmaßliche Künstler F. Holm ist mir kein Begriff. Vermutlich wurde die Postkarte ausgewählt, weil auch der Empfänger – Heinrich Barth – Dekorationsmaler war. Mich interessierte vielmehr der umfassende Text.

Hier schreibt eine Cousine W. aus Ellwangen an der Jagst an ihren in München lebenden Vetter Heinrich. Dieser war 1881 in Aalen geboren, erhielt eine Malerlehre, verdingte sich im süddeutschen Raum als Malergehilfe und absolvierte nun seine Ausbildung an der städtischen Malerschule in München.

Noch bis 1906 sollte er hier auch als Maler tätig sein um im Folgejahr sein eigenes Geschäft in Sonthofen zu eröffnen. 1912 würde er sich dann sogar in die Zeichenklaase der Münchner Akademie der Freien Künste einschreiben. 1904 war Heinrich aber noch nicht sehr lange in München. Seine Cousine kündigt ihm in der vorliegenden Karte höchst interessanten Besuch aus der Heimat an:

„Möchte dir nur mitteilen, daß heute unsere Herrschaft nach München abgereist ist, zu der Hochzeit des Grafen Gustav v. Adelmann. Vielleicht interessiert es dich die Hochzeit zu sehen. Unsere Herrschaft logiert im Parkhotel. Am 18. Okt Dienstag ist die Trauung um 11 Uhr morgens in der Liebfrauenkirche. Die Braut ist v. Obergimpern.“ Nach einigen Alltagsinformationen und Abschiedsformeln schließt Cousine W. mit dem post scriptum: „H. General ist in Uniform u. seine Frau hat eine hellgrauseidene Teillette. Sehr groß u. schwarze[s] Haar.“

Der Maximiliansplatz mit dem Wittelsbacherbrunnen und dem Park-Hotel ganz links. Im Hintergrund ist die Marienkirche zu sehen – der Ort der Trauung.

Wunderbar, eine Hochzeit mit Rang und Namen in der Frauenkirche, das hätte ich mir auch angeschaut! Aber wieso hier? Schließlich kommt der Bräutigam aus dem schwäbischen Ellwangen und das Brautdörfchen Obergimpern liegt zwischen Heidelberg und Heilbronn und hatte just im Jahre 1904 eine eigene Kirche erbaut. Der Grund für München als Trau-Ort dürfte in der Geschichte der beiden Adelshäuser zu finden sein.

Der volle Name des Bräutigams lautet Gustav Constantin Ludwig Joseph Graf Adelmann von Adelmannsfelden, bei der Braut handelt es sich um Elisabeth Adelheid Marie Gräfin von Yrsch-Pienzenau. Gustav war nicht nur württembergischer Kammerherr und Rittergutsbesitzer sondern trug als bayerischer Rittmeister neben verschiedenen Auszeichnungen auch solche des Bayerischen Hofes.

Der Stellenwert der von Adelmannsfelden für München geht auch aus dem Münchner Kalender (Wappenbuch) von 1901 hervor, in dem sich das Wappen wiederfindet.
Die Geschichte der von Yrsch ist aufgrund vieler Familienzweige und fehlender männlicher Nachkommen kompliziert. Die Braut Elisabeth stammt aus der jüngeren Linie der Grafen von Yrsch–Pienzenau.

Maßgeblich für die Wahl des Heiratsortes dürfte aber die Herkunft der Braut gewesen sein. Deren Vorfahren, die Grafen von Yrsch, standen im Dienste der Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg und ließen sich bei Obergimpern ein großes Hofgut errichten. Nachdem die kurfürstliche Residenz 1778 von Mannheim nach München verlegt worden war, folgten auch die im Dienste stehenden Yrsch an die Isar. Hier wurde die Domäne Freiham für rund ein Jahrhundert der Hauptsitz der Familie, deren Mitglieder höchste Ämter am Königshofe innehatten. Gleichzeitig hielten die Yrsch an ihren Besitztümern in Obergimpern fest, wo 1878 Elisabeth Adelheid Marie geboren wurde.

Noch einmal zurück zum Dekorationsmaler Heinrich Barth, der die Postkarte erhielt. Ob er an der Hochzeitsfeier teilnahm ist nicht bekannt, von seiner Wohnung am Baaderplatz wäre es jedoch nur ein Fußweg von 15 Minuten gewesen. Ob er dort auch den uniformierten General nebst hochgewachsener Gattin angetroffen hätte? Es dürfte eine der letzten dynastisch motivierten Adelshochzeiten in München gewesen sein, denn der nur zehn Jahre später einsetzende Erste Weltkrieg bedeutete das Ende der europäischen Monarchien.

Ein Jahr nach der Hochzeit wurde dem jungen Paar die Tochter Sofie Marie geboren. Die spätere Wohlfahrtspflegerin trat nach dem Zweiten Weltkrieg der CDU bei und war von 1958 bis 1967 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. So hatten die von Adelmanns doch noch Regierungsverantwortung, wenn auch in einem anderen politischen System.

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