Diese relativ unspektakuläre Ansichtskarte fand ich auf der Briefmarkenmesse in Ulm. Ich hatte sie wie so häufig nur genommen, da sie nach München adressiert war. Ein Urlaubsgruß eines Herrn Galsterers mit Mutter und Schwester an „Schillers Enkel u. seine edle Gattin“. Konnte 1927 Schillers Enkel noch leben? Nein, das war doch vielmehr auf das Postkartenmotiv bezogen, das den Schillerstein im Schweizer Vierwaldstättersee zeigt. Bestimmt hatte der Adressierte hierzu einen Bezug.


Beides ist jedoch der Fall! Der auf der Karte angeschriebene Baron von Gleichen ist Alexander von Gleichen-Rußwurm, der sogenannte „Mäusebaron“. In Wirklichkeit handelt es sich um den Ur-Enkel Friedrich Schillers, ebenfalls Schriftsteller, der ehrenhalber den Titel seines Vorfahren in weiblicher Nachkommenslinie tragen durfte. Sein voller Titel lautete Heinrich Adalbert Carl Alexander Konrad Schiller, Freiherr von Gleichen, genannt von Rußwurm. Wie er zu dem Spitznamen Mäusebaron kam, ist allerdings ein Husarenstück!
Der Schriftsteller und Philosoph von Gleichen-Rußwurm war, obwohl adelig, chronisch pleite. In einem hoch versicherten Brief schickte er eine 65.000 Reichsmark teure Perlenkette zur Umarbeitung an einen Juwelier. Bei diesem kam im Umschlag aber nur eine tote Maus an. Man warf dem Baron „vor, absichtlich statt der Kette eine lebende Maus verpackt zu haben, die sich während des Transports durch die Verpackung nagen und somit eine beschädigte Sendung vortäuschen sollte“ um so die Versicherungssumme zu kassieren. Das Verteidigungsargument des geistig labilen Barons liest sich noch unterhaltsamer: „es könne sein, dass er eine in einer identischen Zigarettenkiste zu entsorgende tote Maus irrtümlicherweise in den Wertbrief gepackt und die Kette in den Bach geworfen habe.
Am Ende wurde Alexander von Gleichen-Rußwurm schuldig gesprochen, statt 65.000 Reichsmark zu kassieren musste er 10.000 bezahlen.
Eigentlich wohnte der Baron gar nicht in München, aber im Winter residierte er häufig mit seiner Gemahlin Baronin Sophie von Thienen-Adlerflycht in verschiedenen Unterkünften. Ausnahmsweise im Sommer 1927 war dies unmittelbar gegenüber dem Bayerischen Nationalmuseum in der Prinzregentenstraße 4.
nices!! 16. Oktober 1904 – Warum der baden-württembergische Adel in München heiratete
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